E wie Einstellungsgrößen

von Florian Müller

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E wie Einstellungsgrößen

Für den Filmemacher sind sie ein wichtiges Handwerkszeug um eine visuelle Illusion zu erschaffen – die Einstellungsgrößen. Doch welche Unterschiede gibt es überhaupt und was bewirken sie? Oder noch viel wichtiger: warum sollte man darauf achten die Einstellungsgrößen bewusst zu wechseln? Diese Fragen und weitere spannende Filmtipps gibt es in unserer heutigen Ausgabe von “Filmwissen A-Z“ heute mit E wie Einstellungsgrößen.

Totale, Detail, Nahe und noch viele mehr. Wer Filme macht, muss nicht nur ein Auge fürs Bild haben, sondern sollte auch genau wissen, was er oder sie damit anstellt und welche Fehler vermieden werden können. Doch zuerst die Frage: Welche Einstellungsgrößen unterscheiden wir?

Welche Einstellungsgrößen gibt es?

Zu Beginn die weiteste aller Einstellungsgrößen: die Supertotale oder auch Panorama. Hierbei soll der Handlungsort bei besonders weitläufigen Umgebungen, wie zum Beispiel der Silhouette einer Stadt, dem Blick auf ein Bergmassiv, einem Sonnenuntergang am Meer oder auch einem Waldstück, hervorgehoben werden.

Aber wozu können wir eine so weite Einstellung gebrauchen? Abgestimmt auf die Lichtverhältnisse und in Verbindung mit Musik oder auch dem atmosphärischen Ton vor Ort, kann eine solche Einstellung das Gefühl von Seligkeit, Freiheit, Weite oder sogar Unendlichkeit geben. Es können romantische oder auch melancholische Gefühle transportiert werden und oft dient eine solche Aufnahme durchaus auch als Eyecatcher. Als Abkürzung für diese Einstellung liest man im Konzept oder Drehbüchern häufig ELS für “Extreme Long Shot“. Ähnlich wie unsere nächste Einstellung, kann die Supertotale als sogenannter “Establishing Shot“, zur Etablierung des Handlungsortes, benutzt werden.

Weiter geht es mit der Totale. Bei dieser Art der Aufnahme geht es vordergründig darum, das Geschehen einem bestimmten Ort zuordnen zu können. Der Rezipient des Films soll sich nicht verloren fühlen und erkennen, wo die Handlung abläuft.

Totalen werden besonders gerne von Dokumentarfilmern genutzt, da sie nicht das Risiko eingehen wollen, bei einer unkontrollierbaren Situation etwas nicht im Bild zu haben. In manchen Filmen tragen sie aber auch zu einer Charakterisierung eines oder mehrerer Protagonisten bei. Werden viele Totalen in einem Film verwendet, kann damit Unnahbarkeit der zu sehenden Protagonisten bewirkt werden. Hierbei liest man in den Konzeptionen die Buchstaben LS für “Long Shot”.

Aber auch die Totale hat noch eine Verkleinerungsform, nämlich die Halbtotale. Wie uns der Name hier verrät, ist das gefilmte Objekt bei dieser Form der Aufnahme nur halb so weit entfernt wie bei der Totale. Jetzt steht nicht mehr der Ort, sondern der Protagonist oder ein Objekt im Mittelpunkt, dass besonders betont werden soll. Bewegungen oder auch Unterhaltungen zwischen mehreren Personen können dadurch hervorgehoben werden. Bis eben waren wir als Zuschauer noch distanziert, aber mit der Halbtotalen können wir das Geschehene fast hautnah miterleben. Üblich für diese Aufnahmen ist in der Fachsprache der “Full Shot” mit dem Kürzel FS. Auch verwendete wird zum Beispiel “Medium Long Shot”. Besonders gern werden sie für Dialogszenen benutzt, um Mimik und Gestik erahnen zu können, doch unsere nächste Kategorie ist dafür um einiges besser geeignet.

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Es sind die Nahaufnahmen, denn so genau wie eine Kamera das Geschehen festhalten kann, ist das für unser visuelles Sinnesorgan nicht möglich. Doch auch hier ist Vorsicht geboten, denn Nahaufnahme ist nicht gleich Nahaufnahme. Wir unterscheiden zwischen der Halbnahen, der Nahen und der Detailaufnahme. Die Unterschiede sind dabei simpler als man denkt.

Beginnen wir mit der Halbnahen. Auch hier verrät uns der Name der Einstellung,  dass wir noch nicht ganz am Protagonisten dran sind.

Die Halbnahe reicht bei einem Menschen vom Kopf bis zur Hüfte. Damit soll die natürliche Sichtweise des Menschen nachempfunden werden, wenn er sich mit einer anderen Person unterhält. Nicht nur deshalb ist diese Einstellung bei Filmemachern die bevorzugte für Dialogszenen. Bei einer Szene von zwei sich unterhaltenden Protagonisten spricht man von einem halbnahen Zweier und bei drei Personen von einem Dreier. Der zweite Vorteil ist, dass in dieser Einstellung mehr mit Mimik und Gestik gearbeitet werden kann. Notgedrungen sind “Establishing Shots” in Wohnungen oder kleinen Zimmern oft Halbnahen. In der Fachsprach spricht man von einem “Medium Shot” oder auch “Mid Shot”, mit Zeichen MS.

In unserer nächsten Kategorie von Aufnahmen kommen wir dem Protagonisten wortwörtlich noch näher. Die Nahaufnahme oder “Shoulder Close Up” genannt, ist die typische Aufnahme, um die gesamte Gesichtsmimik zu zeigen. Reaktionen und Gefühle bei Dialogen können hier perfekt dargestellt werden. Sie geht zurück auf den Blickwinkel eines Bildhauers, der eine Büste modelliert. Gezeigt wird der Bereich von oberhalb der Hüfte bis zum Kopf. Als Abkürzung gilt hierfür SCU.

Die Steigerung der Nahaufnahme ist die Großaufnahme, auch “Close Up” genannt. Der Unterschied zur Nahaufnahme ist, dass hier die  Schultern nur noch zu erahnen sind. Wir können dem Protagonisten also noch genauer ins Gesicht schauen. Ein Gefühl, wie zum Beispiel Traurigkeit, Verzweiflung, Unsicherheit, aber auch pure Freude, können bei dieser Einstellung direkt an den Zuschauer vermittelt werden. Diese Art von Aufnahmen können die Empathie der Rezipienten am besten hervorrufen.

Doch es geht noch näher! Oft sehen wir in Filmen, Fernsehbeiträgen oder Fotos nur bestimmte Ausschnitte des gesamten Bildes. Es kommt hierbei auf die kleinen Feinheiten an. Diese Eigenschaft gibt unserer nächsten Einstellung ihren Namen und ihre Bedeutung. Es ist die Detailaufnahme. Sie ist für die ganz großen Emotionen zuständig. Sie verdeutlicht die in Nahaufnahme und Großaufnahme ebenfalls dargestellten Gefühle noch mehr und schafft es, sie zu dramatisieren.

Aber auch bei den Zuschauern werden durch diese Aufnahmen wieder Empfindungen geweckt. Die Detailaufnahmen können den Spannungsbogen enorm beeinflussen und steigern.

Wir merken also es gibt eine Menge verschiedener Einstellungen, auf die wir achten sollten. Wichtig ist, genau zu wissen, wie wir sie einsetzen können und was sie bewirken.

Es ist auch hier wie bei Vielem im Leben: die richtige Mischung macht das Produkt am Ende gut. Wenn das bei Ihnen intuitiv passiert, sehr gut. Tun Sie es mit einer gewissen Absicht, um zum Beispiel Ihren Plottwist technisch zu unterstreichen, noch besser.

Bildsprache ist mit das Wichtigste in unserer Branche und über die Einstellungsgrößen haben wir Einfluss auf sie.

Aber verstehen Sie uns nicht falsch: wie in jedem kreativen Gewerk gibt es Empfehlungen, wie man arbeiten sollte. Doch die sind noch lange kein Muss, der die Kunst des Filmemachens einschränkt. Es erweitert sie.

Wir hoffen auch in dieser Folge von “Filmwissen A-Z“ war wieder etwas für Sie dabei. Wir würden uns freuen, wenn Sie auch bei der nächsten Ausgabe wieder dabei sind.

Florian Müller

Flo ist Redaktionsleiter und Regisseur bei J&J Media. Neben der Organisation von Produktionen liefert er Stoff für spannende Geschichten in unseren Filmen und führt Regie. Außerdem kümmert er sich im Schnitt darum, dass die gewünschte Story auch transportiert wird.

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